Wie viel Liter Sauerstoff darf man geben?

Unter einer Langzeit-Sauerstofftherapie oder LTOT (Englisch: long term oxygen therapy) versteht man die dauerhafte Gabe von Sauerstoff über mindestens 16 Stunden täglich. Sie ist eine bewährte Behandlungsmethode bei Menschen mit chronischem Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxämie).

Für die Sauerstoffzufuhr stehen verschiedene Systeme zur Verfügung: Stationäre Sauerstoffgeräte für zu Hause, aber auch mobile, tragbare Geräte, die relativ klein und leicht sind und den Patientinnen und Patienten viel Bewegungsfreiheit bieten. 

Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. med. Andreas Rembert Koczulla, Schön Klinik Berchtesgadener Land und Universitätsklinikum Gießen Marburg (UKGM)
Tessa Schneeberger, Philipps-Universität Marburg - Pneumologische Rehabilitation, Schön Klinik Berchtesgadener Land

Hintergrund: Obwohl eine Sauerstofftherapie oft lebensrettend ist, erbrachten in den letzten Jahren mehrere Studien Hinweise, dass eine unkritische Applikation mit einer daraus resultierenden Hyperoxie bei Intensiv- und Notfallpatienten die Mortalit�t erh�ht.

Methodik: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche nach prospektiven randomisierten Studien zu Sauerstoffzielbereichen bei Erwachsenen in PubMed. Die Ergebnisse wurden durch retrospektive Untersuchungen und Leitlinienempfehlungen erg�nzt.

Ergebnisse: Es konnten 13 prospektive randomisierte Studien, in die 17�213 Patienten eingeschlossen waren, ausgewertet werden. Bei akut exazerbierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und beatmeten Intensivpatienten sank die Mortalit�t durch eine Normoxie im Vergleich zu einer Hyperoxie von 9�% auf 2�%. Bei Patienten mit Myokardinfarkt konnte durch eine restriktive Sauerstoffgabe im Vergleich zu einer Gabe von 8�L/min eine Reduktion der Infarktgr��e im Kardio-MRT nach 6 Monaten gezeigt werden (13,1�g versus 20,3�g). Die bisherigen Daten lassen f�r Patienten mit Schlaganfall keinen Vor- oder Nachteil einer Sauerstoffgabe erkennen. In keiner der Studien konnte ein Vorteil f�r eine Sauerstoffgabe bei nichthypox�mischen Patienten nachgewiesen werden, zumeist geht diese sogar mit einer erh�hten Mortalit�t oder Morbidit�t einher.

Schlussfolgerung: Auch wenn eine Hypox�mie vermieden werden muss, sollte in Anbetracht der Mortalit�ts- und Morbidit�tssteigerung durch eine liberale Sauerstoffgabe in der Notfall- und Intensivmedizin eine konservative, normoxische Oxygenierungsstrategie implementiert werden.

Auch wenn die Sauerstofftherapie bei vorliegender Hypox�mie in Notfallsituationen lebensrettend sein kann, sind sch�digende Effekte hoher Sauerstoffkonzentrationen (Sauerstofftoxizit�t) seit Langem bekannt (e1, e2). Schon wenige Jahre nach Einf�hrung der Sauerstofftherapie wurde �ber eine m�gliche Sauerstofftoxizit�t diskutiert (e3). Wie heute bekannt ist, kommt es durch vermehrte freie Sauerstoffradikale insbesondere in Verbindung mit zus�tzlichen Faktoren wie zum Beispiel einer Infektsituation zu einer Zellsch�digung, die in einer Apoptose oder Nekrose m�nden kann. Durch den Zelltod werden Mediatoren freigesetzt, die wiederum zusammen mit freien Sauerstoffradikalen zur weiteren Zellsch�digung f�hren und somit einen Circulus vitiosus unterhalten k�nnen (e2).

Mehrere Studien konnten in den letzten Jahren nachweisen, dass eine Hyperoxie bei verschiedenen Subgruppen kritisch kranker Patienten mit einer erh�hten Mortalit�t assoziiert ist (1, e4, e5). So lag in einer multivariaten Analyse von �ber 30 000 Patienten mit einer Krankenhausmortalit�t von 31 % (1) oberhalb eines arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (paO2) von 123 mmHg die Odds Ratio f�r Mortalit�t bei 1,23 (95-%-Konfidenzintervall: [1,13; 1,34]). Bisherige �bersichtsarbeiten haben sich mit speziellen Patientengruppen befasst, jedoch die zuletzt publizierten gro�en prospektiven randomisierten Studien nicht ber�cksichtigt (e6�e9). Dieser Artikel gibt daher einen �berblick �ber die Wertigkeit der Sauerstofftherapie bei verschiedenen Krankheitsbildern in der Intensiv- und Notfallmedizin.

Methodik

Die �bersicht basiert auf einer selektiven Literaturrecherche nach prospektiven randomisierten Studien zu den Zielbereichen einer normobaren Sauerstoffapplikation bei erwachsenen Patienten in der Intensiv- und Notfallmedizin. Die Suche erfolgte in der PubMed-Datenbank, die Suchkriterien sind in der eTabelle aufgelistet. Zwei Untersucher (J. G., V. F.) identifizierten unabh�ngig voneinander Studien, die Outcome-Parameter untersuchten. Aufgrund der geringen Anzahl an Studien zu dieser Thematik wurden selektiv retrospektive Studien und Empfehlungen von Fachgesellschaften erg�nzt (Tabelle 1). Laufende Studien wurden in den Studienregistern der USA (ClinicalTrials), Europas (EudraCT) und Gro�britanniens (ISRCTN) recherchiert (Tabelle 2).

Übersicht über Empfehlungen zur Sauerstofftherapie bei ausgewählten akuten Krankheitsbildern

�bersicht �ber Empfehlungen zur Sauerstofftherapie bei ausgew�hlten akuten Krankheitsbildern

Laufende Studien

Suchkriterien

Ergebnisse

Mit der angewandten Suchstrategie konnten insgesamt 13 prospektive randomisierte Studien (2�14), in die 17 213 Patienten eingeschlossen waren, ausgewertet werden (eGrafik, Tabelle 3).

Übersicht abgeschlossener prospektiver randomisierter Studien zur Sauerstoffgabe

�bersicht abgeschlossener prospektiver randomisierter Studien zur Sauerstoffgabe

Fortsetzung: Übersicht abgeschlossener prospektiver randomisierter Studien zur Sauerstoffgabe

Fortsetzung: �bersicht abgeschlossener prospektiver randomisierter Studien zur Sauerstoffgabe

PRISMA-Flussdiagramm der Literaturrecherche

PRISMA-Flussdiagramm der Literaturrecherche

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

F�r Patienten mit einer akut exazerbierten COPD liegt eine randomisierte Studie vor. Hierbei wurden pr�hospital 405 Patienten mit Titration des Sauerstoffs auf eine pulsoxymetrische Sauerstoffs�ttigung (SpO2) zwischen 88�92 % oder mit einer Sauerstofftherapie von 8�10 L/min behandelt (2). In der mit titriertem Sauerstoff behandelten Gruppe sank die Mortalit�t von 9 % auf 2 % (relatives Risiko 0,22), und der mittlere pH-Wert war um 0,12 h�her als in der Gruppe, die hoch dosiert Sauerstoff erhalten hatte.

Myokardinfarkt

F�nf randomisierte Studien mit 7 458 Patienten untersuchten eine Sauerstoffgabe bei Patienten mit Myokardinfarkt. Bereits 1976 wurde eine erste randomisierte Studie durchgef�hrt, bei der 157 Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt f�r 24 Stunden 6 L/min Sauerstoff oder Raumluft erhielten. Ein signifikanter Unterschied bez�glich Mortalit�t (Raumluft: 4 % versus Sauerstoff: 11 %) oder Reduktion von Herzrhythmusst�rungen konnte nicht gefunden werden (3).

Bei 136 Patienten mit ST-Strecken-Hebungsinfarkt (STEMI) ohne Hypox�mie fand sich kein Unterschied in Bezug auf die Mortalit�t (6 L/min: 1 % versus titriert: 3 %) und die Infarktgr��e zwischen einer auf eine SpO2 von 93�96 % titrierten Sauerstoffgabe versus einer O2-Gabe von 6 L/min, wobei die Autoren selbst anmerkten, dass die Studie keine ad�quate Gr��e aufwies, um einen Unterschied nachweisen zu k�nnen (4).

In einer kleineren randomisierten Studie, in der 95 Patienten entweder 10 L/min Sauerstoff oder Raumluft erhielten, zeigte sich ebenfalls kein Nutzen einer Sauerstoffapplikation (linksventrikul�re Infarktgr��e 16 � 10 % versus 16 � 11 %) (6).

In der AVOID-Studie wurden STEMI-Patienten bereits pr�hospital randomisiert in eine Gruppe, die 8 L/min Sauerstoff erhielt, und eine zweite Gruppe, der nur bei einer SpO2 < 94 % Sauerstoff verabreicht wurde (5). Von den eingeschlossenen 441 Patienten wies die Sauerstoffgruppe einen signifikanten Anstieg der Kreatinkinase, mehr Re-Myokardinfarkte und mehr Rhythmusst�rungen auf. In einer Kardio-Magnetresonanztomographie sechs Monate nach Myokardinfarkt zeigte sich zudem eine h�here Infarktgr��e (20,3 g versus 13,1 g).

2017 ist die bisher umfangreichste Studie mit �ber 6 000 Patienten (DETO2X-AMI) zu diesem Thema erschienen. Sie untersuchte randomisiert den Einfluss einer routinem��igen Gabe von 6 L/min Sauerstoff versus keiner Sauerstoffgabe bei Patienten mit STEMI oder Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt (NSTEMI) mit SpO2 ≥ 90 % hinsichtlich Morbidit�t und Mortalit�t (7). Es konnte kein Unterschied bez�glich der Mortalit�t nach einem Jahr (Sauerstoff: 5,0 % versus Raumluft: 5,1 %), der Rate von Reinfarkten (3,8 % versus 3,3 %), Vorhofflimmern (2,8 % versus 3,1 %) oder kardiogenem Schock (1,0 % versus 1,1 %) gefunden werden.

Post Reanimation

Randomisierte Studien, die den Effekt einer Sauerstoffgabe auf das Ergebnis nach einer Reanimation untersuchen, liegen mit Ausnahme einer Pilotstudie mit nur 28 ausgewerteten Patienten bisher nicht vor (8). Bekannt ist, dass bei einer Reanimationsbehandlung ein zun�chst hoher paO2 die Wahrscheinlichkeit erh�ht, dass ein Spontankreislauf wiederhergestellt wird (15). Im weiteren Verlauf der Behandlung scheint jedoch eine Hyperoxie innerhalb der ersten 24 Stunden die Mortalit�t zu steigern, wie zwei Metaanalysen nahelegen (16, 17). Die gr��ten hier eingeflossenen beiden Kohortenstudien werteten 6 326 (e4) beziehungsweise 12 108 Patienten aus (18), wobei in letzterer Studie der negative Effekt einer Hyperoxie nach multivariater Analyse f�r die Krankheitsschwere nicht mehr nachzuweisen war.

Schlaganfall/Hirnblutungen

Zur Sauerstoffgabe bei Schlaganfall liegen bisher drei randomisierte Studien mit 8 343 Patienten vor. In einer Pilotstudie wurden Schlaganfallpatienten in zwei Gruppen randomisiert, die f�r 72 Stunden entweder keinen oder 2�3 L/min Sauerstoff erhielten. Bei den eingeschlossenen 289 Patienten konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen gefunden werden (modifizierte Rankin-Skala [mRS]] 3 versus 3) (9, e10). Eine weitere Studie fand hingegen eine Verbesserung der mRS durch eine Sauerstoffgabe, die Studie beinhaltete jedoch nur 51 Patienten (10). Eine quasi-randomisierte Studie mit 550 Schlaganfallpatienten, die entweder keinen oder f�r einen Tag eine fixe Gabe von 3 L/min Sauerstoff erhielten, zeigte nach einem Jahr keinen Unterschied in der Mortalit�tsrate oder im Ergebnis des neurologischen Zustands der Patienten (19).

In der k�rzlich publizierten SO2S-Study wurden 8 003 Schlaganfallpatienten in drei Gruppen randomisiert: Die Sauerstoffapplikation geschah f�r 72 Stunden 1. nur nachts, 2. kontinuierlich oder 3. gar nicht. Nach 90 Tagen wurde kein Unterschied zwischen den Gruppen bez�glich der mRS festgestellt (11), dies galt auch f�r Subgruppen mit unterschiedlicher Erkrankungsschwere. Ein Kritikpunkt dieser Studie ist sicherlich, dass mit einem Median von 5 auf der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) viele relativ leicht betroffene Schlaganfallpatienten eingeschlossen wurden.

Randomisierte Studien zur Sauerstofftherapie bei Hirnblutungen liegen bisher nicht vor. Die Posthoc-Analyse einer prospektiven randomisierten Hypothermiestudie bei schwerem Sch�del-Hirn-Trauma weist auf einen m�glichen positiven Effekt einer Hyperoxie hin, wobei in dieser Studie in beiden Gruppen sehr hohe paO2-Werte (242 versus 193 mmHg) und damit keine normoxischen Werte vorlagen (20).

Es sind bisher mehrere retrospektive Auswertungen publiziert, von denen keine einen Vorteil einer Hyperoxie zeigen konnte. Bei 2 643 beatmeten Patienten mit Schlaganfall gab es keinen Zusammenhang zwischen Mortalit�t und paO2 (21), w�hrend bei 2 894 Patienten eine Hyperoxie (paO2 ≥ 300 mmHg) in den ersten 24 Stunden ein unabh�ngiger Risikofaktor f�r das Versterben im Krankenhaus war (22). Bei traumatischer Hirnblutung war ein paO2 ≥ 300 mmHg mit einer erh�hten Mortalit�t assoziiert (23), in einer anderen Studie auch ein paO2 > 200 mmHg (24); wird jedoch eine Hyperoxie als paO2 > 100 mmHg oder > 150 mmHg definiert, gibt es keine Assoziation zwischen Mortalit�t und Hyperoxie (25, 26).

Intensivpatienten

Von den drei prospektiven randomisierten Studien bei Intensivpatienten mit zusammen 979 Patienten wurden in der ersten Studie (OXYGEN-ICU) 434 Intensivpatienten mit einer Intensivaufenthaltsdauer �ber 3 Tage ausgewertet (12). Zwei Drittel der untersuchten Patienten waren maschinell beatmet. In der konventionellen Gruppe (Ziel: SpO2 97�100 %, medianer paO2 = 102 mmHg) verstarben mehr Patienten als in der konservativen Gruppe (Ziel: SpO2 94�98 %, medianer paO2 = 87 mmHg) auf der Intensivstation (20,2 % versus 11,6 %, relatives Risiko 0,57, p = 0,01; prim�rer Endpunkt) und auch die Gesamt-Krankenhaus-Mortalit�t (33,9 % versus 24,2 %, relatives Risiko 0,71, p = 0,03) war erh�ht. Des Weiteren waren die mit weniger Sauerstoff behandelten Patienten im Median k�rzer beatmet.

In einer Machbarkeitsstudie wurden 103 beatmete Intensivpatienten in eine konservative Sauerstoffgruppe (SpO2 88�92 %) oder eine liberale Sauerstoffgruppe (SpO2 ≥ 96 %) randomisiert (14). Dabei gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen im Hinblick auf das Auftreten einer neuen Organdysfunktion, der Intensivstations- oder der 90-Tage Mortalit�t.

Die k�rzlich ver�ffentlichte HYPER2S-Studie, die bei septischen Intensivpatienten neben der Gabe hyper- versus normotoner Kochsalzl�sung eine hyper- versus einer normoxische Beatmung untersuchte, wurde nach Aufnahme von 442 Patienten aus Sicherheitsgr�nden abgebrochen. In der Hyperoxiegruppe fand sich eine signifikant erh�hte Rate schwerer Nebenwirkungen (85 % versus 76 %, p = 0,02), unter anderem Muskelschw�che und Atelektasen (13).

Zuvor legten mehrere retrospektive Untersuchungen nahe, dass eine Hyperoxie mit einer Erh�hung der Mortalit�t einhergeht. Bei der Auswertung von �ber 36 000 beatmeten Intensivpatienten war ein paO2 von circa 70�80 mmHg innerhalb des ersten Aufenthaltstages mit der geringsten Mortalit�t verbunden. Sowohl darunter als auch dar�ber nahm die Mortalit�t zu. Dieser Effekt blieb auch nach multivariater Korrektur f�r die Krankheitsschwere bestehen (1).

In einer weiteren retrospektiven Auswertung des ersten Aufenthaltstages von �ber 150 000 Intensivpatienten konnten diese Ergebnisse nur teilweise best�tigt werden, da sich nach multivariater Korrektur f�r die Krankheitsschwere kein genereller Zusammenhang mehr zwischen Hyperoxie und erh�hter Mortalit�t fand, sondern nur noch bei einer Hypoxie (27). In einer Beobachtungsstudie mit 105 Patienten war nach Reduktion des Sauerstoffzielbereiches die restriktive Sauerstoffgabe nicht mit vermehrten Komplikationen verbunden (28).

Diskussion

Im vorliegenden Review, bei dem 13 prospektive randomisierte Studien analysiert wurden, konnte in keiner der Studien ein Vorteil f�r eine Sauerstoffgabe bei nichthypox�mischen Patienten gezeigt werden. Da diese zumeist sogar mit einer erh�hten Mortalit�t oder Morbidit�t einhergeht, sollte eine adjuvante Sauerstoff-applikation immer kritisch hinterfragt werden.

Bisher liegen nur wenige ausreichend gepowerte, prospektive randomisierte Studien vor. Die Empfehlungen zur Sauerstoffapplikation beruhen zum gro�en Teil auf retrospektiven Auswertungen, was eine Limitation vieler Studien darstellt. Die Bereiche Hypoxie, Normoxie und Hyperoxie sind nicht einheitlich definiert. W�hrend in manchen Studien bereits ein paO2 > 100 mmHg als Hyperoxie definiert wird, liegt dieser gem�� anderen Definitionen noch im normoxischen Bereich, der bis zu einem paO2 von 300 mmHg reicht. Eine Vergleichbarkeit zwischen den Studien ist damit nicht gegeben.

Ein paO2 zwischen 100 und 300 mmHg befindet sich nicht mehr im physiologischen Bereich und ist nur durch eine k�nstliche Zufuhr von Sauerstoff zu erreichen, wurde aber dennoch oft noch als Normoxie definiert. Da in den aktuellen randomisierten Studien die Grenze zwischen Normoxie und Hyperoxie in etwa zwischen dem physiologischen und dem unphysiologischen Bereich gezogen wurde und ein Unterschied zwischen den Gruppen nachweisbar war, scheint es denkbar, dass verschiedene Endpunkte in den Studien mit der �unphysiologischen� Normoxie/Hyperoxie-Grenze nicht gefunden werden konnten, da die als normoxisch definierten Patienten bereits hyperoxisch waren.

Trotz der m�glichen negativen Effekte einer Hyperoxie muss allerdings ber�cksichtigt werden, dass diese bei bestimmten Krankheitsbildern dennoch therapeutisch eingesetzt werden muss, zum Beispiel bei der Kohlenmonoxid-Intoxikation (e11). Die Annahme, dass eine perioperative Hyperoxie die Rate an Wundinfekten in der Abdominalchirurgie senkt, musste hingegen revidiert werden (e12), insbesondere da die hyperoxisch behandelten Patienten auch nach Jahren noch ein erh�htes Myokardinfarktrisiko aufweisen (e13).

Prospektive randomisierte Studien, die eine Hypoxie mit einer Normoxie verglichen, liegen bisher nicht vor. Das ist auf ethische und medizinische Bedenken zur�ckzuf�hren, da eine Hypoxie hypox�mische Organsch�den nach sich ziehen k�nnte. Diese Bedenken werden durch retrospektive Auswertungen gest�tzt, die eine Zunahme der Mortalit�t bei Intensivpatienten durch Hypoxie zeigen konnten (1, 27).

Bei Patienten mit COPD sollte eine Sauerstofftherapie restriktiv erfolgen, da f�r diese Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Lungenversagens charakteristisch ist und es durch eine Hyperoxie zu einer zus�tzlichen Reduktion des Atemantriebes kommen kann, wodurch die Hyperkapnie verst�rkt wird. Auch kommt es � mutma�lich durch eine Verschlechterung des Ventilations-Perfusions-Verh�ltnisses � mit einer verbesserten Durchblutung schlecht ventilierter Alveolen zu einer Erh�hung des pulmonalen Shunts. Aus diesen Gr�nden ist es seit Jahren verbreitete Praxis, COPD-Patienten einer restriktiven Sauerstoffgabe zuzuf�hren. Als Ziel wird in der gerade erschienenen deutschen S2k-Leitlinie eine SpO2 von 91�92 % definiert (29).

Bei myokardialen Isch�mien, die aus einer Imbalance zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf resultieren, erscheint eine supplementierende Sauerstoffgabe zun�chst einmal pathophysiologisch plausibel, um Symptome zu verbessern, den isch�mischen Gewebeschaden zu reduzieren und letztlich die Mortalit�t zu senken. Da in den Studien kein Benefit f�r eine Sauerstoffgabe gezeigt werden konnte, scheinen allerdings die negativen Effekte einer Hyperoxie wie Reperfusionsschaden durch freie Radikale (e14) und Drosselung des koronaren Blutflusses zu �berwiegen (e8). Daher wird in den aktuellen europ�ischen Leitlinien zur Behandlung von STEMI und NSTEMI eine Sauerstoffgabe nur bei einer Sauerstoffs�ttigung < 90 % empfohlen (30, 31).

Bei der Behandlung nach einem Herzstillstand sollte gem�� den aktuellen Empfehlungen eine Sauerstoffgabe nur bei einer Sauerstoffs�ttigung < 94 % erfolgen (Ziel: Sauerstoffs�ttigung 94�98 %) (32). Zur Post-Reanimationsbehandlung befinden sich weitere Studien in Planung oder Durchf�hrung, um Konzepte zu entwickeln, den optimalen Sauerstoffpartialdruck nach Reanimation genauer einzugrenzen, wie die REOX-Studie (NCT01881243) und die REOX-II-Studie (NCT02698826).

Zur Schlaganfallbehandlung wird gem�� der amerikanischen Leitlinie keine Routinegabe von Sauerstoff empfohlen, eine Sauerstoffs�ttigung > 94 % sollte jedoch angestrebt werden (33).

Bei beatmeten Intensivpatienten wurden zwar die beiden gr��ten randomisierten Studien vorzeitig beendet, jedoch war die Mortalit�t in der italienischen Single-Center-Studie in der restriktiven Sauerstoffgruppe niedriger (11,6 % versus 20,2 %) (12). In jedem Fall ist aber eine Normoxie nicht mit einem zus�tzlichen Risiko verbunden. Daher wird in der k�rzlich erschienenen S3-Leitlinie zur invasiven Beatmung ein paO2-Zielbereich von 60�80 mmHg empfohlen (34). Um den Zusammenhang zwischen Oxygenierung und Mortalit�t auch bei speziellen Patientengruppen zu kl�ren, sind derzeit weitere Studien in Planung beziehungsweise Durchf�hrung, zum Beispiel die LOCO2-Studie bei akutem Lungenversagen (ARDS), die HO2TorNO2T-Studie bei Sepsis oder die O2-ICU-Studie beim Systemic Inflammatory Response Syndrom (SIRS).

Unabh�ngig von dem anzustrebenden Zielbereich einer Sauerstoffapplikation spielt auch die Applikationsweise eine nicht unerhebliche Rolle (e15). So konnte zum Beispiel f�r das nichthyperkapnische Lungenversagen eine �berlegenheit einer nasalen High-Flow-Sauerstofftherapie (50 L/min) gegen�ber der nichtinvasiven Beatmung �ber eine Gesichtsmaske gezeigt werden (e16). Beim hyperkapnischen Lungenversagen wird jedoch bevorzugt die nichtinvasive Beatmung durchgef�hrt, die gegen�ber einer invasiven Beatmung �ber einen Endotrachealtubus Vorteile bietet (e17).

Eine Sauerstoffgabe bei nichthypox�mischen Palliativpatienten mit refrakt�rer Dyspnoe zeigte in einer randomisierten, kontrollierten Studie keine Vorteile (e18). Insofern sollte Sauerstoff bei dieser Patientengruppe nicht als Palliativma�nahme angeboten werden.

Ganz aktuell wurde eine Metaanalyse zur Sauerstofftherapie mit 25 Studien und 16 037 Patienten publiziert, in der eine liberale mit einer konservativen Oxygenierungsstrategie bei Patienten mit einer nichtelektiven Krankenhausaufnahme verglichen wurde (e19). Dabei konnte eine �bersterblichkeit (Relatives Risiko f�r Krankenhausmortalit�t: 1,21; [95-%-Konfidenzintervall: 1,03; 1,43]) der Gruppe mit einer liberalen Sauerstoffgabe gezeigt werden, so dass eine Sauerstoffgabe oberhalb einer SpO2 von 94�96 % unterbleiben sollte.

Zuk�nftige Studien m�ssen darauf ausgerichtet sein, den optimalen Bereich f�r den paO2 zu identifizieren, um das bestm�gliche Ergebnis f�r Patienten zu erreichen. Des Weiteren bedarf es prospektiver randomisierter Studien zur Sauerstoffapplikation, um die Limitationen retrospektiver Auswertungen zu umgehen.

Sind 2 Liter Sauerstoff viel?

Sauerstoff ist ein natürliches Gas, das in der Atemluft immer vorhanden ist. Bei Sauerstoffflüssen von mehr als 2 l pro Minute kann es zu einer Austrocknung der Nasenschleimhäute kommen. Dies kann durch Vorschalten eines Gasbefeuchters und durch Pflege der Schleimhäute mit entsprechenden Salben vermieden werden.

Kann man zu viel Sauerstoff geben?

Sauerstoff ist lebensnotwendig, ein Zuviel davon kann aber die Sterblichkeit der Patienten erhöhen. Davor warnen die Lungenärzte des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und empfehlen vor einer Sauerstoffgabe unbedingt zu überprüfen, welche Sauerstoffsättigung aktuell beim Patienten vorliegt.

Wie viel Sauerstoff bei Beatmung?

In Kliniken, in denen nur die Sauerstoffsättigung als Behandlungskriterium herangezogen wird, gelten Patienten mit einer Sauerstoffsättigung unter 90 % bereits als gefährdet und werden sogleich intubiert und invasiv beatmet, auch wenn die Kohlendioxidwerte im Blut normal, also noch nicht angestiegen sind.

Wie viel Sauerstoff gefährlich?

10 Vol. -% Sauerstoff in der Luft ohne Vorwarnung bewusstlos werden. Unterhalb von 6 bis 8 Vol. -% Sauerstoff kann bereits nach wenigen Minuten Tod durch Ersticken eintreten, wenn nicht unverzüglich Wiederbelebungsversuche eingeleitet werden.